Schrecklich laut reißt mich der Wecker aus dem Schlaf. Mit einem leisen „Ciao bella“ verabschiede ich mich entschuldigend bei meiner Freundin. Snooze ist keine Option – es ist 5:07 Uhr.
So, oder ganz ähnlich beginnt der Tag für für mich und einer Rekordzahl von 18 Millionen weiteren Pendlern. Mit 60 Kilometer einfachem Weg liege ich zwar deutlich über dem Durchschnitt von 18 Kilometer. Dank dem vom Arbeitgeber subventionierten Bus ist der Arbeitsweg für mich dennoch angenehmer als für viele Leidensgenossen. Mit ca. 40 Personen liegen wir aber auch deutlich über dem durchschnittlichem Besetzungsgrades eines PKW beim Arbeitsweg – der liegt bei ernüchternden 1,2 Personen.
Dieser Wert und die jährlich steigenden Pendlerzahlen führt ganz natürlich zu völlig überfüllten Straßen zu Stoßzeiten und gleichzeitig zu leeren Straßen außerhalb der Rush-Hour. Und weil auch die Planen des öffentlichen Nahverkehrs dieses Problem nicht erkennen steigt die Zahl immer weiter. „Es geht um die Pendler, stupid!“ hat auch Matthias Breitinger in der Zeit erkannt. Sein Lösungsvorschlag ist ein besseres ÖPNV. Bei längeren Distanzen ist das beste ÖPNV allerdings höchstens in einem Ballungszentrum wie dem Ruhrgebiet dicht genug. So braucht man eine andere Lösung für die 38% der Pendler mit einer Distanz über 10 Kilometer.
Kein Ende in Sicht?
Das konterkariert aber mit Ihrer Überschrift?! Hätte mich eine ehemalige Dozentin jetzt ermahnt. Doch nach kurzer Suche im Duden will ich beschreiben warum das Prinzip des Pendlers wie es ihn heute gibt trotzdem am Ende ist. Im Großen und Ganzen liegt es an zwei großen Trends: New Work und autonomes Fahrzeuge. Erst in der Verbindung offenbaren sie warum zumindest die heutige Form des Pendelns sich radikal wandeln wird.
Jeder Zweite Artikel über Digitalisierung und Automatisierung kündigt das Ende von monotoner körperlicher Arbeit an. Das führt dazu, dass ein immer größerer Anteil der Arbeitnehmerschaft ortsunabhängig arbeiten kann. Schon heute bieten 39% der Unternehmen Home-Office an. Der Anteil wird sich schon alleine wegen der geänderten Bedürfnisse der Arbeitnehmer noch deutlich erhöhen müssen. Außerdem steigt die Zahl der Berufe mit geistiger Arbeit, während die klassischen Industriearbeitsplätze mehr und mehr durch Roboter ersetzt werden.
Doch unter dem Begriff New Work lässt sich nicht nur Home-Office umschreiben. Viel mehr steht der Begriff für ein generell flexibleres Arbeiten. Heute sammeln sich die Bürokräfte ebenso wie die Industriearbeiter im 19. Jahrhundert in großen Firmen in Ballungszentren. Nach dem Prinzip von New Work muss das aber nicht sein. Egal ob man zuhause arbeitet, in dezentralen Coworking Plätzen oder irgendwo sonst auf der Welt. Durch schnelles Internet, flexible Geräte und serverbasierten Speichern ist das ortsunabhängige Arbeiten nicht die Zukunft sondern die Gegenwart.
Autonomes Fahren führt zu weniger Pendlern
Doch nicht jeder Job kann ortsunabhängig durchgeführt werden. Vor allem soziale Berufe, aber auch Handwerker und Verkäufer müssen täglich zu ihrem Arbeitsort kommen. Diese liegen dann schon alleine aus öffentlichen Interesse meist zentral in Städten oder Ballungszentren. Bei den immer weiter steigenden Preisen in eben diesen Gebieten wird also auch in Zukunft gependelt. Die Distanzen werden ebenfalls weiter steigen. Und trotzdem neigt sich das Pendeln von heute dem Ende.
Heute fahren diese Menschen aus Bequemlichkeit und aus Mangel an attraktiven Alternativen (meist alleine) mit dem Auto. Eine Fahrgemeinschaft ist da schon das Höchste der Gefühle. In Zukunft – und da sind sich die Autobauer ausnahmsweise einig – werden wir keine eigenen Autos mehr besitzen. Der Kunde der Zukunft bestellt sich eine Mobilitätsdienstleitung alá Uber. Auf Bestellung kommt dann ein autonom fahrendes Fahrzeug. Wenn es nach der VW-Tochter MOIA geht, dann in Form eines intelligenten Sammeltaxis.
So verbringen die Menschen zwar weiterhin die Zeit auf der Straße, doch durch den Roboterchauffeur gewinnt man trotzdem Zeit bei hoher Individualität. Je nach Angebot kann man diese Zeit dann mit Unterhaltung, Weiterbildung oder Konversation über Skype nutzen. Also vieles was man sonst privat machen würde. Mehr zur Produktivität findet ihr hier.
Quellen: Titelbild von Emmanuel Kontokalos auf Unsplash
Bild im Text von Hanny Naibaho auf Unsplash