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Haltung zeigen – Wählen gehen

Bei den letzten zwei Bundestagswahlen habe ich auf jostyknowsbest.de die verschiedenen Parteien vorgestellt. Dafür bin ich die Wahlprogramme durchgegangen, habe verglichen und das – aus meiner Sicht – Wichtigste zusammengefasst. Das habe ich dieses Jahr aus zeitlichen Gründen leider nicht geschafft. Weil diese Wahl jedoch entscheidend für unsere Zukunft ist, will ich hier trotzdem kurz ein paar Gedanken zu den Programmen der demokratischen Parteien, die eine echte Chance auf den Einzug in den Bundestag haben, teilen.

Wie vor jeder Wahl höre ich auch dieses Mal im Freundes- und Kollegenkreis immer wieder die Aussage: „Da kann man niemand wählen!“ „Es ändert sich eh nichts!“ „Die sagen eh alle das Gleiche!“. Genau diese Meinung will ich im Folgenden widerlegen. Wir stehen vor einer richtungsweisenden Wahl und die Programme der Parteien unterscheiden sich eklatant.

Arbeit & Soziales

Grundsätzlich sind SPD, Grüne und Linke Unterstützer der Mieter. Mit dem Mietendeckel und dem Bau von Sozialwohnungen wollen sie für bezahlbaren Wohnraum sorgen. Union und FDP sind in erster Linie Vertreter der Eigenheimbesitzer und Vermieter. Sie wollen Familien beim Hausbau unterstützen und Vermietern recht große Freiheiten lassen.

SPD und Grüne fordern einen Mindestlohn von 12€, die Linke gar von 13€. Union und FDP lehnen eine solche pauschale Erhöhung ab. Dazu will die SPD eine Kindergrundsicherung von mindestens 250€ schaffen, ähnlich wie die Grünen und die Linke wollen sie einkommensschwächere Familien mit mehr Geld unterstützen. Die Union und FDP lehnen diese zusätzliche Unterstützung ab. Gerade im Hinblick auf die schlechten Aufstiegschancen von Kindern aus einkommensschwachen Familien ein fatales Signal.

Bei der Rente wollen Grüne und SPD ein Rentenniveau von 48% garantieren und an dem aktuellen Eintrittsalter von 67 Jahren festhalten. Die Linke will das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre senken, was aus meiner Sicht nicht zur stetig steigenden Lebenserwartung passt. Auch Beamte und Selbstständige sollen laut den drei Parteien in das staatliche Rentensystem mit eintreten und sich somit solidarisch an den Kosten beteiligen.

Die FDP hingegen fordert ein flexibles Renteneintrittsalter und plant zugleich die wohl größte Rentenreform: Sogenannte Bürgerfonds also eine Aktienrente soll die aktuelle Rente ergänzen. Ein ähnliches System wollen auch die Grünen in abgeschwächter Form umsetzen. Das Konzept der Union baut auch auf Kapitalmarktanlagen, wird allerdings von Experten als zu teuer angesehen.

Gesundheit

Grüne, SPD und Linke fordern eine Bürgerversicherung, also die Auflösung der aktuellen Zwei-Klassen Medizin. Statt alternativen privaten Krankenversicherungen sollen alle in ein gesetzliches System einzahlen. Dieses System präferiere nicht nur ich, sondern auch eine breite Mehrheit der Bevölkerung.
FDP und Union wollen an dem aktuellen System festhalten.

Finanzen und Steuern

Die SPD will 48% statt 45% Spitzensteuersatz ab 250.000€ Jahresbrutto bei einem Single und 500.000€ Haushaltseinkommen bei Verheirateten. Hier ist wichtig, dass die 48% nur für den Betrag über 250.000€ gelten. Gleiches fordern die Grünen. Die Linke will Spitzenverdiener noch deutlich stärker belasten.

Entlastet werden sollen Einkommen unter 100.000€. Die FDP und Union wollen durch das Ende des Solidaritätszuschlags Spitzenverdiener prozentual deutlich mehr entlasten, als untere und mittlere Einkommen. Eine extreme Klientelpolitik für Reiche und nicht wie häufig proklamiert den Mittelstand. Dies führt außerdem zu einem Defizit bei den Steuereinnahmen. Interessant ist, dass genau FDP und Union den drei linken Parteien immer vorwerfen, zu viel Schulden machen zu wollen.

Die Grünen wollen zudem eine Vermögenssteuer von einem Prozent ab einem Vermögen von zwei Millionen Euro. Betriebsvermögen sind davon befreit. Das Gleiche fordert die SPD und will ab einer Milliarde Euro zwei Prozent Vermögenssteuer verlangen. Die Linke will eine Vermögenssteuer bereits ab einer Million und eine Steigerung auf fünf Prozent bei mehr als 50 Millionen Euro. Union und FDP lehnen diese Steuer ab. Eine solche Vermögenssteuer gibt es aktuell beispielsweise in der Schweiz und an Immobilien und Grundbesitz gekoppelt in den USA, Frankreich und Großbritannien.

Klimaschutz

Die SPD will ab 2025 die EEG Umlage entfallen lassen und damit den Strom deutlich günstiger machen. FDP und Union fordern die Abschaffung bereits zum Ende des Jahres. Das klingt zunächst gut, gleichzeitig wollen die drei Parteien jedoch auch am Kohleausstieg 2038 festhalten. Das heißt, wir machen den extrem schmutzigen Kohlestrom günstiger. Ein Elektroauto, das mit Kohlestrom betrieben wird, ist schlimmer für das Klima als jeder Diesel.

Grüne und Linke fordern den Kohleausstieg 2030 – das ist zwingend notwendig für die Klimaziele. Die beiden Parteien sind insgesamt die einzigen mit halbwegs ambitionierten Programmen. Jedoch reicht kein einziges Programm zur Einhaltung des 1,5 Grad Ziels aus. Das von ihnen vorgeschlagene System mit einem recht hohen CO2 Preis, welcher dann gleich an alle Bürger zurückgezahlt wird, trifft vor allem Wohlhabende, welche deutlich mehr CO2 erzeugen als einkommensschwache Gruppen.

Funfact zum CO2 Preis. Es ist heute bereits beschlossen, dass der Preis bis 2025 auf 60€ steigt. Die Grünen fordern ab 2025 nur 5€ mehr. Der VW Chef Herbert Diess hat vor wenigen Tagen im OMR Podcast einen CO2 Preis von 100€ gefordert. So viel zu Radikalität der Grünen.

Die FDP will die Emissionen über eine Begrenzung des CO2 Budgets und dann den freien Markt regulieren. Allerdings bedeutet das ohne E-Auto Förderung dann, dass die Grenzkosten bei Mobilität einen Wandel eher ausbremsen. Kohlekraftwerke wären hingegen sehr schnell unprofitabel.

Die Union hat kein echtes Klimakonzept. Sie fordern ausschließlich eine Ausweitung des Emissionshandels zum Beispiel auf die Autoindustrie. Das ist weder weitreichend noch kreativ genug für das drängendste Problem unserer Zeit.

Außenpolitik

Im Grunde unterscheidet sich die Außenpolitik von Union, SPD, Grünen und FDP nur wenig. Alle bekennen sich zu Europa und der Nato. Am schärfsten gehen die Grünen und die FDP mit den mächtigen Autokratien Russland und China ins Gericht. Das ist aus der Opposition natürlich auch einfach. Jedoch traut die internationale Presse den Grünen zu, ein starkes Gegengewicht speziell zu China zu erzeugen.

Bei der Linken fehlt ein solches Bekenntnis und damit sind sie für mich unwählbar. Wir leben in einer globalisierten Welt, in der man sich unter dem Deckmantel von Pazifismus nicht vor sicherheitspolitischen Fragen wegducken kann.

Und die anderen Themen?

Falls ihr euch jetzt fragt, warum ich nichts zu Bildung schreibe. Bildung ist Ländersache, zwar haben alle Parteien das Thema in ihre Programmen mit aufgenommen. Die Bildungspolitik könnt ihr aber effektiv nur bei Landtagswahlen beeinflussen. Auch Themen wie gendergerechte Sprache oder das Tempolimit habe ich außen vor gelassen – ich denke wir haben größere Themen. Zudem wollen alle Parteien außer die Union das Wahlalter auf 16 Jahre senken und Cannabis teilweise freigeben.

Persönlich hoffe ich auf eine neue progressive Regierung, welche die notwendigen Veränderungen anstößt. Das geht aus meiner Sicht nur ohne eine Regierungsbeteiligung der Union. Wenn man sich also eine Koalition wünschen dürfte, wäre es bei mir eine Ampelkoalition. Diese wird aber nur unter der SPD möglich sein, da die FDP nach diesem Wahlkampf kaum den Juniorpartner der Grünen machen kann.

Zur weiteren Information für die Wahlentscheidung habe ich noch folgende Tipps für euch. Am 12. September und am 19. September sind noch zwei TV-Debatten zwischen den drei Kanzlerkandidat*innen bei ARD und ZDF beziehungsweise Pro7. Eine weniger konfrontative aber deutlich jugendfreundlichere Vorstellung der drei Kandidat*innen gibt es in dem Deutschland3000 Podcast mit Eva Schulz (auch auf Spotify). Diese drei mal eine Stunde lohnt sich definitiv.

Wer die Wahlprogramme noch einmal in der Kurzversion sehen will, dem sei das Instagram Profil von Deutschland3000 empfohlen.  Wer mehr Zeit hat, kann sich die beiden neuen Rezo Videos anschauen und dann hoffentlich nachvollziehen, warum ich die Union nicht in der nächsten Regierung sehen möchte. Und natürlich lohnt sich für jeden der Klassiker: Wahl-O-Mat.

Ich hoffe, diese Information hilft euch bei der Wahlentscheidung. Zum Schluss noch eine Bitte: Geht am 26. September wählen! Und wählt nicht die AfD.

Photo by Element5 Digital on Unsplash